Den Rehkitzen auf der Spur
Es ist Freitagmorgen, 5.30 Uhr, als sich Barbara Lucia, Elke Jarosik, Vera Fischerkeller und Michael Pohl von der Sparkasse bei fünf Grad Celsius im Morgengrauen auf einem Bauernhof in Bad Dürrheim-Öfingen treffen. Die Mission: Rehkitze aus landwirtschaftlichen Wiesen holen, bevor die Landwirte mit ihren großen Maschinen mähen.
Unter der Leitung von Thorsten Hauger, Obmann für Kitzrettung und Wildtierschutz bei der Jägervereinigung Schwarzwald-Baar-Kreis, geht es in Begleitung des Landwirtes zur ersten Fläche. Die Kitzretter-Teams werden nämlich von den Landwirten vor den Mäharbeiten kontaktiert und beauftragt. „Das geschieht immer sehr kurzfristig, da die Maht wetterabhängig ist“, erklärt er vor Ort. Und tatsächlich war es auch bei den beiden Terminen für die Sparkassen-Retter so. Die Anfrage kam am Mittwoch, ob wir am Freitag und Samstag helfen könnten. Dank der Spontanität der Sparkässler konnten wir innerhalb von einem Tag zwei Teams stellen.
Mitten ins Geschehen
Und damit zurück auf die Wiese: Bevor die Rettung beginnt, erläutert Drohnen-Pilot Lars das Vorgehen. Auf seinem Tablet wählt er das entsprechende Flurstück aus, welches es zu überfliegen gilt. Er lässt die Drohne mit der Wärmebildkamera auf etwa 30 Meter steigen und beginnt sie über die Wiese vor einem Waldstück zu steuern. Dabei scannt die Kamera eine Fläche von fast 30 Quadratmetern. Die fast noch frostigen Temperaturen Mitte Mai haben in diesem Moment einen entscheidenden Vorteil: Über die Wärmebildkamera wäre ganz eindeutig zu sehen, wo in der Wiese Rehkitze oder andere Lebewesen liegen.
Thorsten Hauger verteilt derweil Handschuhe, Funkgeräte und Jutesäcke. „Wenn Lars etwas über die Kamera erkennt, laufen wir an die Stelle, nehmen davor Grasbüschel in beide Hände und sollte da ein Kitz liegen, greifen wir beherzt zu“, lautet die Anweisung an das Team. Die Grasbüschel dienen dazu, dass das Kitz keinen menschlichen Geruch annimmt, damit es nach dem Aussetzen außerhalb der Gefahrenzone nicht von der Mutter verstoßen wird.
Es geht los: „Lauft unter die Drohne, da ist eindeutig etwas zu sehen!“, sagt Lars plötzlich. Nach rund 200 Metern durch kniehohes, nasses Gras kommt die Ansage über Funk: „Langsamer, nur noch ein paar Schritte. Jetzt steht ihr direkt davor, unter dem rechten Arm liegt es!“ Die Grasbüschel nochmal fest in beide Hände genommen, der Blick senkt sich und… nichts! Wir standen vor einer kahlen aber verlassenen Erdstelle. Ist das Kitz etwa weggelaufen? „Es handelt sich eindeutig um eine Liegefläche“, sagt Thorsten Hauger. „Dort kann aber auch ein Hase gewesen sein.“ Die meisten Kitze seien aufgrund ihres Alters noch nicht so agil, dass sie weglaufen. Er habe aber auch schon Kitze in letzter Sekunde aus den Händen verloren, weil sie doch schon gut entwickelt waren, berichtet Thorsten von anderen Einsätzen.
Keine Rehkitze in Sicht
Nachdem Lars die gesamte Fläche überflogen hat und er über die Drohnenkamera zwischenzeitlich tatsächlich auch noch einen Hasen entdeckt hatte, kommt ein erneuter Funkspruch: „Wir sind durch, hier ist nichts!“ Noch während wir uns gemeinsam mit Thorsten Hauger auf den Rückweg zu den Autos machen, schmeißt der Landwirt den Traktor an und fährt mit seiner zehn Meter breiten Mähvorrichtung über die gerade erst abgesuchte Wiese.
Für das erste Team ging es an diesem Freitagmorgen noch bis etwa 8 Uhr auf weitere Wiesen. Die dortige Suche war aus Helfersicht „leider“ auch von ähnlichen Erlebnissen geprägt. Auf ein Rehkitz haben die Retter vergeblich gewartet.
Für das zweite Sparkassen-Team, das am Tag darauf zur selben Zeit in der Nähe von Biesingen im Einsatz war, wurde es tierischer. Allerdings handelte es sich auch hier nicht um Rehkitze. „Außer ausgewachsene Rehe, die sich am Waldrand oder im Gestrüpp versteckten, haben auch wir nichts entdeckt“, berichtet Yvonne Storz, die gleich noch eine Unterstützung mitgebracht hat. „Gerettet“ mussten diese allerdings nicht werden, da sie außerhalb der Gefahrenzone waren und vor allem beim Anrücken des Traktors ohnehin flüchteten. Was die Verantwortlichen allerdings auch für die zweite Gruppe im Gepäck hatten, waren umfangreiche Informationen rund um die Kitzrettung und das heimische Wild. In der Region werden jährlich zahlreiche Felder abgesucht und bis zum Rettungseinsatz der Sparkasse wurden auch schon elf Kitze gerettet.
Eine tolle Erfahrung
Auch wenn wir keine Rehkitze entdeckt und aktiv gerettet haben, war es am Ende des Einsatzes dennoch ein beruhigendes Gefühl, dass auf diesen Wiesen, die im Anschluss umgehend gemäht wurden, nichts passieren konnte. Was aber definitiv hängen bleibt ist die Erkenntnis, dass die moderne Technik und der Einsatz einer Drohne unglaublich hilfreich sind. Früher mussten die Wiesen und Felder zu Fuß abgegangen werden, um nach Kitzen zu suchen. Und dafür, so berichtete uns Lars abschließend, habe man auch nicht mehr Helfer gehabt als heute.